PFLEGE & RESTAURIERUNG

Die NOORDEWIND

Wie ein Phönix aus der Asche
in "nur" 23 Arbeitsschritten



Im Jahr 2000 hörte ich, jemand möchte ein Holzboot verschenken. Das Boot lag kieloben in einer Scheune und hatte mehrere faustgroße Löcher im Rumpf, obwohl das Unterwasserschiff mal mit einer Glasfasermatte verstärkt worden war. Wie sich später herausstellte, war das Boot nach den Abmessungen eine 16m2 BM Bj 1936. Allerdings war der Rumpf nicht als Eigenbau aus schmalen Leisten zusammengenagelt. Das Boot wurde von Fa. G. BAAY Bootbouwerij in Loosdrecht gebaut und hieß "NOORDEWIND". Die Mahagoniplanken waren in traditioneller Karweelbauweise auf schmale Eichenspanten genietet und mit Bronzeschrauben an den Hauptspanten verschraubt. Das Deck aus 3,5 cm breiten Mahagonileisten war aufgenagelt. Alle Fugen auf Deck und im Rumpf waren mit Baumwollfäden kalfatert und zusätzlich verkittet.
Ursprünglich hatte das Boot einen Langkiel mit angehängtem Ruder. Nach Änderung der Bauvorschrift 1938 wurde der Langkiel gegen einen Kurzkiel ausgetauscht und das überflüssige Loch verschlossen.

Mit Fotos von diesem "Wrack" fragte ich einen Schreiner (der eine 0-Jolle restauriert hatte) um Rat. Nach meiner Schilderung und nachdem er die Fotos gesehen, hatte sagte er:
"Am besten verbrennen!" Überzeugt hatte mich das nicht. Zwar war ich kein Schreiner, aber ich traute mir den Neuaufbau zu. Besondere Eile war nicht geboten, denn ich konnte weiter mit meiner Surprise JULA segeln.
Ich besorgte mir Fachliteratur und entschloss mich dann zur Komplettsanierung und einem Neuaufbau mit Epoxidharz.
Ein kleiner Bootsschuppen wurde im Garten gebaut und das Projekt bekam von mir den Namen:


NOORDEWIND Phönix


Die einzelnen Arbeitsschritte waren dann:

1. Zur Bestandsaufnahme wurde das schadhafte Deck komplett demontiert und die rostigen Nägel entfernt. Das war aufwändiger als gedacht, denn die Leisten waren senkrecht, waagerecht und schräg auf die Deckbalken genagelt.


Der Decksbalken am Mast war rott und wurde erneuert.


Faustgroße Löcher in der Bilge

2. Der Innenkiel aus Mahagoni musste ebenfalls erneuert werden. Unter die noch vorhandenen Bodenwrangen wurden in drei Lagen Leisten eingeschoben und mit Epoxit verklebt.

3. Nun wurden die teilweise schadhaften Bodenwrangen demontiert. Das war schwierig, denn alle Planken waren mit Bronzeschrauben an den Wrangen befestigt und mussten mühsam mit einem Eisensägeblatt gelöst werden.

4. Die neuen Wrangen wurden zugeschnitten und seitlich mit den senkrechten Hauptspanten durch Sperrholz - Aufdoppelungen verklebt und verschraubt.

5. Danach wurde das Unterwasserschiff von seinem "Totenkleid", dem GfK - Überzug, befreit. Das ging am besten mit einer Heißluftpistole und einem Spachtel.

6. Jetzt begann die zeitraubende Schleifarbeit des Innenrumpfes. Der gesamte Bootsrumpf mit allen Spanten wurde mit Excenterschleifer, Ziehklingen und anderen Werkzeugen restlos bis auf das Holz abgeschliffen und gesäubert.

7. Als nächstes wurde der Rumpf zur Aussteifung mit einem Sperrholzdeck versehen.
Das Deck wurde aus drei Teilen aneinander geschäftet, aber zunächst auf die Balken nur verschraubt.

8. So ausgesteift konnte das Boot gedreht und die schadhaften Planken erneuert werden.
Die alten Planken wurden mit einer Oberfräse herausgetrennt und dabei gleichzeitig abgeschrägt. Die neuen Planken wurden an diese Schäftung angepasst, mit Epoxit verklebt und zusätzlich mit den neuen Bodenwrangen verschraubt.



9. Mit einer Handkreissäge wurden alle Fugen der Planken 3mm breit und 10mm tief aufgeschnitten. Diese Fugen wurden dann mit einer konischen Leiste und Epoxit geschlossen.

10. Das Unterwasserschiff mit den neu eingepassten Planken wurde plan gehobelt und geglättet. Dann wurde der gesamte schon sehr verblichene Bootsrumpf abgeschliffen. Danach wurde mehrfach mit Epoxit beschichtet und nach jedem Auftrag wieder geschliffen.

11. Beim nächsten Arbeitsschritt half dann ein Bootsbauer. Der Rumpf wurde mit einer Glasmatte überzogen und so zusätzlich verstärkt. Danach wurde wieder geschliffen und mehrere Lagen Epoxit aufgetragen.

12. Nun musste der Rumpf wieder gedreht werden. Das Sperrholzdeck wurde entfernt und der Rumpf innen und alle Holzteile 3x mit Epoxit versiegelt.

13. Das Sperrholzdeck wurde nun endgültig verschraubt und verklebt.

14. Laibhölzer, Fische aus 3mm Mahagonifurnier wurden vorbereitet und das Deck daraus und aus 3mm Lärchenleisten (mit stehenden Jahresringen!) in "Staboptik" beplankt.

15. Die teilweise offenen Fugen wurden zugespachtelt. Danach Grob- und zuletzt Feinschliff.


16. Das Unterwasserschiff mit Kiel und Ruder wurde nach der Epoxit-Beschichtung zunächst dreimal mit VC-Tar und dann mit Antifouling gestrichen.

17. Der übrige Rumpf wurde dann mit sechs Schichten Polyurethan Lack versiegelt.

18. Die neue halbrunde Scheuerleiste wurde angeschraubt und geklebt. Die Schraubenlöcher wurden mit Pfropfen verschlossen.

19. Die Cockpitbretter wurden montiert, die Bodenbretter neu eingepasst und befestigt. Der neu gefertigte Mast Fuß wurde eingesetzt und abgedichtet.

20. Das Deck wurde dann nass in nass 15mal mit Owatrol D1 gestrichen und vollkommen gesättigt.

21. Nachdem das Holzöl abgetrocknet war, wurde das Deck nass geschliffen und danach mit Owatrol D2 als Endlack lackiert.


22. Der Rumpf musste nun hoch aufgebockt werden, um den Kiel montieren zu können. Und dann Erleichterung: die drei Kielbolzen passten genau in die neuen Bohrungen!

23. Nun wurden die teilweise noch vorhanden Bronzebeschläge montiert, der Mast gestellt und probeweise aufgeriggt.


Im Herbst 2004 machten wir mit der NOORDEWIND PHÖNIX unsere Jungfernfahrt und bei raumem Wind auch Gleitfahrt.
Und natürlich ist das Boot vollkommen dicht und die Bilge trocken.



Recherchen zur Bootsgeschichte

Die NOORDEWIND wurde zuletzt am Niederrhein in Deutschland gesegelt. War aber wohl 20 Jahre nicht mehr im Wasser. Der Voreigner erzählte das Boot hätte zuletzt vor einer Disco als Blickfang gestanden und es solle Baujahr 1936 sein.
Im November 2006 besuchte ich die Bootsmesse "Klassieke Schepen" in Enkhuizen. Mit meinem holländischen Segelfreund Ton versuchte ich mehr über die Werft G. BAAY Loosdrecht zu erfahren. Wie ich schon herausgefunden hatte, gab es die Bootswerft G. Baay seit 1908. Zunächst in Oudekerk an der (Amstel?). Später wurde der Betrieb nach Loosdrecht verlegt. In der British Sharpie Owners Association sind 6 Boote mit Baujahr 1938 der Fa. Baay aufgeführt. Die letzte BM in Leistenbauweise wurde 1961 ausgeliefert.

Also fuhr ich zunächst mit Ton nach Loosdrecht. Hier trafen wir den Rentner Pieter Wingelaar, der seit 1949 bei Fa. Baay gearbeitet hatte. Er sagte, nach den Fotos zu urteilen, sei das Boot zwischen 1936 und 1938 gebaut worden. Zu dieser Zeit wurden die Boote noch mit langem Kiel und angehängtem Ruder gebaut. Die NOORDEWIND wurde zunächst auch mit Langkiel gebaut. Aber nach Änderung der Klassenvorschrift 1939 wurde der Langkiel gegen einen kurzen Kiel ausgetauscht und das Ruder verändert.
Nun konnte ich mir auch erklären warum der Innenkiel achtern eine 4. Bohrung für einen Kielbolzen hatte, die später verschlossen wurde. Außerdem wurde achtern auf dem Innenkiel mit einer Aufdoppelung die alte Öffnung für den Ruderkoker verschlossen.
Pieter Wingelaar erzählte weiter, dass sein Chef es mit der Bauqualität sehr genau nahm. Sein Wahlspruch war: Baay baut bessere Boote! Vielleicht konnte deshalb Herr Baay sich nicht mit der einfachen Leisten-Nagel-Bauweise anfreunden. Denn obwohl in der Zeit von 1931 bis 1961 in Holland über 3000 BM gebaut wurden, sind nur drei Boote in Leisten/Nagelbauweise der Fa. Baay dabei.

Auf der Messe "Klassieke Schepen" in Enkhuizen gab es die nächste Überraschung: Dort war die restaurierte Ileor Baunummer 147 Bj.1934 mit langem Kiel ausgestellt. Es hätte ein Schwesterschiff der NOORDEWIND sein können, allerdings in Leistenbauweise und nicht wie die NOORDEWIND in Karweelbauweise gefertigt.
Der Eigner Herr P. B. Veenema erzählte die Geschichte der Nr.147. Auch dass sie den Krieg nur unter Wasser überlebt hat, weil Boote von der Deutschen Besatzung beschlagnahmt wurden und so nach Deutschland kamen. Für die NOORDEWIND der Fa. G. Baay möchte ich das ausschließen, denn wenn das Boot unter diesen Umständen nach Deutschland gekommen wäre, hätte man sicher den Bootsnamen NOORDEWIND und die Werftplakette der Fa. BAA Y entfernt.
Mit diesen Informationen zur Herkunft des Bootes und der Gewissheit, dass die NOORDEWIND 1936 gebaut wurde, wandte ich mich an die Niederländische Klassenvereinigung der "BM Zestienqwadrat".

Die Klassenvereinigung feierte 2006 ihr 75-jähriges Jubiläum. Der Technische Obmann Herr Ziebe van der Zee hat meine Recherchen zum Baujahr bestätigt und meine Frage nach einer Segelnummer sehr freundlich beantwortet. Der "NOORDEWIND PHÖNIX" wurde die Segelnummer 236 (von einem Boot, das nicht mehr existiert) zugeteilt.

Aus dem Jubiläums-Jahrbuch erfahre ich, dass es im Jahr 2006 schon die Baunurnmer 4451 flir die Holzboote in Leistenbauweise gibt. Die Holz-Neubauten der BM in Leistenbauweise werden jetzt wie moderne Einzelbauten mit Epoxitharz verklebt und erfordern ca.850 Stunden und kosten dann ca. 35.000,- Euro (eine neue Regatta- BM komplett ausgerüstet).
Die NOORDEWIND Phönix ist ebenfalls komplett mit Epoxitharz neu aufgebaut und so hat sich der Neuaufbau vielleicht doch" gelohnt".
Außerdem ist es etwas Besonderes, ein schönes altes Holzboot zu segeln. Das habe ich besonders bei den Klassiker Regatten Rursee-Classik und Rendesvous der Klassiker in Kiel erfahren.
Abschließend muss ich sagen, dass ich den Arbeitsaufwand von ca. 2000 Stunden weit unterschätzt hatte. Oft habe ich unsere Mittwochsregatta auf dem Rursee versäumt, da man bei gutem Wetter auch gut laminieren kann.
Aber die Arbeit hat mir Spaß gemacht und ein neues Projekt wurde 2007 begonnen.

Dieter Friedrichs Ringstr.16, 53881 Euskirchen
Tel 02251/61228, Fax 02251/61367

email dieter.friedrichs@web.de



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